Ein schlechtes Gesetz löst das andere ab – das neue „Genehmigungsbeschleunigungsgesetz“
Betrifft:
ABBD – Brief an die Mitglieder des Bundestages
In der letzten Legislatur wurden unter einer schwarz-roten Regierung etliche Gesetze verabschiedet, die Planungen und Bauvorhaben der Infrastruktur Straße-Schiene-Wasser beschleunigen sollten. Nun muss das Bundesverkehrsministerium (BMDV) zugeben, dass all diese Gesetzes-Pakete keine Wirkung erzielt haben. Dem von vielen Bahn-Bürgerinitiativen scharf kritisierten Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz wurde von der EU-Kommission ein Riegel vorgeschoben.
Heilen soll das nun das nächste Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Dessen Entwurf von der Ampel-Regierung ändert ein Bündel von Gesetzen und macht die Überprüfung der rechtlichen Auswirkungen schwierig. ABBD befürchtet, dass vielen Bundestagsabgeordneten, die über den Entwurf beraten und entscheiden sollen, die Tragweite des neuen Gesetzes nicht bewusst ist.
Allem voran gestellt wird das „überragende öffentliche Interesse“. Ein Begriff, der nirgends rechtssicher definiert ist. Es handelt sich um eine Phrase, mit der
- erneut Rechtswege beschnitten
- Belange des Klima- und Umweltschutzes herabgestuft
- massive CO2-Emissionen in Kauf genommen werden.
Mit dem neuen Beschleunigungsgesetz wird unter anderem der vielfach bemängelte 3. Zielfahrplan des Deutschlandtakts gesetzlich zementiert. Unter dem Deckmäntelchen einer EU-Richtlinie wird praktisch das gesamte deutsche Haupt-Eisenbahnverkehrsnetz als Teil des Trans-Europäischen Netzes (TEN) mit den überbordenden baulichen Anforderungen des Deutschlandtakts gleichgestellt. Noch vor einer Überprüfung des echten Bedarfs an Verkehrsinfrastruktur soll der Zielfahrplan des Deutschlandtakts gesetzlich festgelegt werden. Vor einer Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans – unter Missachtung der aktuellen wirtschaftlichen, ökonomischen, klimatischen, energetischen Zeitenwende – wird allen Baumaßnahmen des Deutschlandtakts der Weg geebnet.
Die unübersichtliche Auflistung von Bahn-Einzelprojekten und Bahn-Projektbündeln behindert eine Überprüfung des jeweiligen haushaltsrechtlich notwendigen positiven Nutzen-Kosten-Verhältnisses. Hier kann durch das Verbinden von Projekten deren wirkliche Unwirtschaftlichkeit verschleiert werden. ABBD hält solches Vorgehen für unseriös.
Der Deutschlandtakt ist ein Integraler Taktfahrplan (ITF). Hier fahren Züge zu festgelegten wiederholten Zeiten in die Bahnhöfe und wieder ab. So ein ITF kann vielfältig gestaltet und angepasst werden. In einem großen, dicht besiedelten Raum wie Deutschland ist das eine aufwendige Rechenaufgabe.
Aus der Merkel-Ära stammend ist unter Einigung der Bahnbranche eben dieser aktuelle Deutschlandtakt-Fahrplan entstanden. Entsprechend veraltet sind dessen Rechtfertigung und entsprechend unberücksichtigt bleiben die realen Wirtschafts-, Lebens- und Klimabedingungen der Zukunft.
Die Deklaration „überragendes öffentliche Interesse“ zielt darauf ab, die Belange des Naturschutzes entscheidend zu schwächen. Die laut Bundesnaturschutzgesetz möglichen Ausnahmen sollen künftig zur Regel gemacht werden, um alle Vorhaben des neu gefassten Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) unter grober Missachtung von Natur- sowie Artenschutzbelangen realisieren zu können. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen europäisches Umweltrecht, nach dem Ausnahmen eng auszulegen und pauschale Gewichtungsregelungen unzulässig sind.
ABBD fordert:
- den sofortigen Stopp des „Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes“ (DS 20/6879)
- eine aktuelle reale Bedarfsanalyse zu allen Infrastrukturmaßnahmen vor allen weiteren gesetzlichen Änderungen u.a. des BSWAG
- die Berücksichtigung von Naturschutz- und Klimaschutzzielen mit der Maßgabe, massiv CO2-Emissionen zu unterbinden
- einen bundesweiten Infrastrukturdialog unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern incl. Fahrgästen