Pressemitteilung Nr.5 Feb.23

Verzicht auf klimaschädliche Infrastrukturvorhaben kombiniert mit Bürgerdialog auf Augenhöhe machen Beschleunigungsgesetze überflüssig und entlasten die Verwaltungsgerichte

Der erbitterte Streit über die Beschleunigung beim Neubau von Fernstraßen hält in der Ampel-Koalition unvermindert an. Gleichzeitig wurde der Gesetzentwurf zur Beschleunigung verwaltungs­gerichtlicher Verfahren im Infrastrukturbereich vom Bundestag beschlossen, obwohl die zahlreichen im Lauf der letzten Jahre verabschiedeten Beschleunigungsgesetze zum Teil eine projekt­verzögernde Wirkung hatten. Als Begründung für die Gesetzesnovelle wurde einmal mehr auf die angebliche Klageflut gegen Infrastrukturvorhaben verwiesen, die jedoch nicht belegt ist. Bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren besteht zudem wesentlich größeres Beschleuni­gungs­potenzial als bei den Verwaltungsgerichten.
Aus Sicht des ABBD gefährdet das neue Gesetz den effektiven vorläufigen Rechtsschutz in Verfahren gegen Infrastruktur­vorhaben, weil alle prognostisch vermutlich heilbaren Mängel eines angefoch­tenen Verwaltungsakts außer Acht bleiben können. Dem Gericht wird durch unbestimmte Rechts­begriffe wie „offensichtlich“ und „auf absehbare Zeit“ eine irrtumsanfällige Einschätzung bezüglich der Heilbarkeit von Mängeln abver­langt, bei den Verfahrensbeteiligten entsteht zusätzliche Rechts­unsicherheit. Selbst rechtwidrige Vorhaben oder einzelne Maßnahmen können von nun an mangels einst­weiligem Rechts­schutz zwischen­zeitlich verwirklicht werden; damit wird gegebenenfalls die Wieder­her­stellung des ursprünglichen Zustands unmöglich und der Kläger vor vollendete Tatsachen gestellt.
Die Einschränkung gerade des vorläufigen Rechtsschutzes werde – so ein Experte dem ABBD gegenüber – Verfassungsbeschwerden wegen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz provozieren und die anschließenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht würden eine Verzögerung der Infrastruktur­vorhaben zur Folge haben.
Selbst bei Verstößen gegen EU-Recht wird der Vollzug der Vorhaben nun erleichtert. Da die Ein­schränkung des Eilrechtsschutzes nicht nur mit dem Grundgesetz und der Aarhus-Konvention, sondern wohl auch mit der Rechtsauffassung des EuGH kollidiert, ist mit dessen Auf­forderung zur Nachbesserung der VwGO-Novelle zu rechnen. Der Ermessens­spielraum bezüglich verspätet vorgebrachter Tatsachen, Erklärungen und Beweismittel wird den Gerichten genommen, die Flexibilität und Entscheidungsfreiheit der Richter zusätzlich durch die verlangte Priorisierung von Vorhaben von besonderem öffentlichem Interesse eingeschränkt.
Das ABBD fordert: Statt Richter unnötig zu gängeln und den grundgesetzlich garantierten Rechts­schutz aufzuweichen, sollte der Gesetzgeber im Rahmen der laufenden Bedarfsplanüberprüfung eine Neubewer­tung von Infrastrukturvorhaben des Bundesverkehrswegeplans unter Klima- und Naturschutz­aspekten vornehmen und der Erhaltung bestehender Infrastruktur höchste Priorität einräumen. Eine ganze Reihe von geplanten Neubau­projekten könnte aufgrund eines zu niedrigen oder fehlenden Nutzen-Kosten-Verhältnisses eliminiert werden und würde gar nicht mehr vor Gericht landen. All das, wie auch die Berücksichtigung von Ideen und Forderungen aus der Bürgerschaft in den Projekten anstelle von Bürgerscheinbeteiligung, würde zu einer effektiven Verfahrensbeschleu­nigung und Entlastung der Verwal­tungs­­­gerichte beitragen und Beschleunigungsgesetze überflüssig machen.

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